verfasst von: Johanna am 8. August 2018
August 2018

Geht's noch?

Angefangen haben wir 2016 mit den Nachrichten vom Hof, um Mitgliedern und Interessierten einen Einblick in das Geschehen unseres Hofes zu geben. Das gehört zu unserer Idee einer Landwirtschaft, in der Kontakt und Beziehung zu den Mitgliedern, das Vertrauen und die Solidarität mit im Vordergrund stehen, dazu. Trotzdem haben wir uns seit über einem halben Jahr nicht mehr auf diesem Wege zu Wort gemeldet.
Jedes Jahr des Auenhofes war auf seine Weise von großen Herausforderungen, Hingabe, Zweifeln und Mut geprägt. Aber dieses ist außergewöhnlich heftig. Jochen und ich hatten, seit wir uns auf unserem ersten Lehrbetrieb kennen gelernt hatten, vom eigenen Hof geträumt. Allein allerdings wollten wir das nicht machen, wir wollten Arbeit und Verantwortungen auf mehrere Schultern verteilen, und so hatten wir Nico und Micha gefunden - und doch waren wir am Anfang des dritten Auenhofjahres nur noch zu zweit. Zwar war Anne da und wichtiger Teil unseres Zusammenlebens und der gemeinsamen Arbeit geworden, die Verantwortung fiel jedoch uns allein zu. Ob wir das schaffen würden, konnten wir nicht wissen. Den Herbst und Winter verbrachten wir vor allem damit, Mitstreiter zu suchen (ohne Erfolg), und uns um eine neue Rechtsform, die Anbauplanung und den neuen Etat zu kümmern. Das Ringen um den Etat war uns jedes Jahr sehr an die Substanz gegangen, denn wir mussten immer wieder entscheiden, ob und zu welchen Konditionen die SoLawi Auenhof überhaupt möglich ist. Jedes Jahr gab es bisher in diesem Prozess den Moment, an dem wir nicht wussten, ob ein Weitermachen sinnvoll war. Aber - wir wollten weiter machen. Was sonst?

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Ins Jahr 2018 starteten wir durch die Umbrüche schon etwas erschöpft - und trotzdem voller Lust: während wir Gärtner uns im Sommer auf einen ruhigeren Winter freuen, kribbelt es uns im Frühling in den Fingern: wann geht's endlich los? Die ersten keimenden Aussaaten (meistens Auberginen) auf der Küchenfensterbank sind in ein großes Highlight. Lisa zog als neuer Lehrling ein, unser neuer Träcker hatte seine Jungfernfahrt, so begann das Gartenjahr.

Gleichzeitig sahen wir den Mai und Juni bedrohlich auf uns zukommen. In diesen Monaten ist immer überviel zu tun, weil die vorgezogenen Gemüsepflänzchen gleichzeitig mit dem Unkraut explodieren: alles muss scheinbar gleichzeitig ausgepflanzt werden, und danach gut gepflegt, damit wir es nicht gleich wieder ans Unkraut verlieren. Währenddessen stehen die Aussaaten für die Lagerkulturen an, die, zu spät gesät, zur Ernte im Herbst, nichts mehr werden. Mit ein paar Helfern schafften wir es einigermaßen. Wir verloren einen Teil der Pastinaken und die Mairüben, aber das lässt sich verschmerzen. Wir begannen außerdem, wie die Bescheuerten zu bewässern, denn es wurde heiß und trocken und kein einziges Gemüse wäre auf unseren Tellern gelandet, hätte es nicht regelmäßig die rettenden Tropfen unserer Kreisregner abbekommen. Seitdem bewässern wir, mit einer einzigen Ausnahme, 7 Tage die Woche.

Mitte Mai hatten wir eine Fehlgeburt, wenige Tage darauf erfuhren wir, dass Jochen Hautkrebs hat. Unsere Welt war in kurzer Zeit zweimal in ihren Grundfesten erschüttert.

Der Auenhof lief weiter, und die Pflanzen legten keine Pause ein, um uns Luft holen zu lassen. Die Sonne brannte unermüdlich. Anne und Lisa und einige Freunde, und nach einiger Zeit auch ein Betriebshelfer, den wir von der Kasse zugestanden bekamen, hielten den Betrieb am Laufen. Jochen und ich kümmerten uns um seine Krankheit.

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Ich versuchte, alles am Laufen zu halten und die Verantwortung an allen Fronten zu tragen. Jochen, Erwin, die Lehrlinge, der Hof, die Mitglieder, den Acker. Wir waren noch in der kritischen Zeit, wo den Anschluss verlieren heißt, den Rest des Jahres weniger ernten, einlagern und ausliefern zu können. Immer wieder fühlte ich mich auch unendlich glücklich um fünf Uhr morgens bei der Arbeit. Aber immer wieder fühlte ich mich mittags ausgelaugt und überfordert. Die Verantwortung war von ehemals 4 Gärtnern auf mich zusammengeschrumpft. Eine Stunde ackern ist etwas anderes als eine Stunde ackern mit Verantwortung. To-Do-Listen waren mein inneres Schlaflied und der Ohrwurm mit dem ich aufwachte.


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Nach einigen weiteren Wochen war Ende. Ende Ende.
Es ging nicht mehr. überlastung, Müdigkeit, Erschöpfung, Ängste holten mich ein und zwangen mich in die Knie.

Jochen seinerseits genest und wird nun langsam wieder in die verantwortliche Rolle hineinwachsen, die ich habe aufgeben müssen. Den Hof am Laufen zu halten.

Nun bleiben vor allem Fragen. Ich wollte immer zeigen, dass ein nachhaltiges Wirtschaften in der Landwirtschaft gelingen kann. Dass Arbeitsbedingungen fair sein, dass Höfe vielfältig und Orte der Begegnung sein, und Menschen Menschen sein können. Ich wollte meinen Anspruch, am Wandel mitzuarbeiten, mit meiner Leidenschaft Gärtnern und meinen persönlichen Bedürfnissen wie Familie, Gemeinschaft, Schönheit und Sicherheit in Einklang sehen. Das, dachte ich, geht mit der solidarischen Landwirtschaft. Aber geht es?