verfasst von: Anne am 18. Mai 2017
Mai 2017

Saisonstart

Ich bin Anne und seit zwei Monaten als Lehrling auf dem Auenhof nachdem im letzten Jahr die Gründer_innen zum Großteil noch selbst in der Ausbildung waren. Eine sehr spannende und schöne Ausgangssituation für mich, denn alle wissen noch, wie es sich anfühlt als Lehrling: wie es ist, wenn man jeden Handgriff zum ersten Mal macht; wie schwer es fällt, einen ÃÜberblick zu bekommen und dann auch noch zu behalten; wie man immer die Langsamste beim Harken ist... Außerdem bin ich im 2. Aufbaujahr einer Gemüsegärtnerei natürlich richtig nah dran am Betrieb und bekomme viel mehr mit darüber, wie sich bestimmte Strukturen und Verantwortungsbereiche bilden, welche Herausforderungen es immer wieder zu meistern gibt und was es braucht, um 75 Solawist_innen ein Jahr lang mit Gemüse zu versorgen.

Aber bevor ich jetzt abstrakt über den Saisonauftakt und das beginnende Frühjahr schreibe, dachte ich, ich lasse euch einfach mal konkret teilhaben an dem, was ich in meinen ersten zwei Monaten auf dem Auenhof gelernt habe:

1.) Gärtner_innen brauchen viel Geduld. Ob es ein Pferd ist, dass sich mitsamt Leinen und angehängten Geräten lieber drei Mal um sich selbst dreht als geradeaus über den Acker zu laufen; ob es eine Motorhacke ist, die den Zeitplan zur Beetvorbereitung sprengt, weil der Vergaser mal wieder gereinigt werden muss oder ob es der Regen ist, der bestimmte Arbeitsgänge wie z.B. Säen unmöglich macht und das ganze ganze Saatgut verklebt... es hilft leider überhaupt nichts, wütend darüber zu werden.

2.) Auch wenn das Gärtnern der sinngebende Mittelpunkt der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft auf dem Auenhof ist, haben die Beziehungen zueinander und das soziale Gefüge insgesamt einen mindestens ebenso hohen, wenn nicht sogar höheren Stellenwert. Ein vierstündiges Plenum jede Woche, viel Offenheit, Vertrauen und Einsicht sowie die Bereitschaft, genau über die Punkte zu reden, die weh tun, scheinen das Minimum zu sein, damit alle Konflikte, Bedürfnisse und Wünsche ihren Raum bekommen.

3.) Eigentlich macht man beim Gärtner (fast) immer dasselbe. Säen, pikieren, pflanzen, Beete vorbereiten, hacken, jäten, ernten. Spannend wird es dadurch, dass man mit verschiedenen Pflanzkulturen zu tun hat und natürlich ganz eng an die Jahreszeiten und die sich ständig verändernde Natur angebunden ist. Gerade ist Frühling und endlich blüht es wieder und sprießt und es ist schön zu sehen, wie sich der Acker wieder füllt. Und ich warte mit Spannung darauf, wann es mit dem Ernten wieder so richtig los geht.


4.) Wenn man einen Folientunnel aus DDR-Zeiten kauft, ihn abbaut und ihn dann versucht wieder aufzubauen, braucht man noch mehr Geduld als für Pferde und Motorhacken.

5.) Nachtfröste im Frühjahr sind einer der wenigen Faktoren, die Gärtner_innen aus der Ruhe bringen können. In diesem ziemlich kühlen (aber dafür regenreichen) Frühjahr ist das schon mehrmals vorgekommen. Mitte April sollte die Temperatur nachts einmal über mehrere Stunden auf -4 °C absinken. Da wurde dann der Anzuchttunnel mit einem Gasbrenner beheizt, in den Frühbeetkästen standen 20 Grabkerzen, auf dem Acker wurde alles, was geht, mit Vliesen abgedeckt und wir haben überall Baldrianextrakt versprüht. Obwohl viele Horrorgeschichten von anderen Betrieben und deren Verlusten bei Nachtfrösten erzählt wurden, ist es bei uns sehr glimpflich ausgegangen. Ein paar getopfte Basilikum und der Mangold auf dem Acker sind die einzigen Kulturen, die (leichte) Frostschäden erlitten haben. Glück gehabt!